Die Schande von Scuol
Seit Wochen beherrschte ein Thema die Medien im Landwassertal und im Engadin: Das Flüela-Derby (auch „Graubünden-Clasico“ genannt). Die Stimmung um das ohnehin prestigeträchtige Duell der beiden verfeindeten Fussballclubs war in dieser Rückrunde besonders angeheizt, da die beiden Mannschaften direkte Konkurrenten im Abstiegskampf sind. Für Scuol konnte die Begegnung als Spiel der letzten Chance angesehen werden, während sich der FCD mit einem Sieg im Derby einen komfortablen Vorsprung auf Scuol, und damit den Abstiegsplatz, erarbeiten hätte können. In der Vergangenheit kam es auch immer wieder zu Nickligkeiten seitens der Fangruppierungen (FCD-Online berichtete), weshalb in diesem Jahr zu unüblichen Mitteln gegriffen wurde. Ganz nach dem Vorbild des Hessen-Derbys in Darmstadt vor Wochenfrist, beschlossen die örtlichen Behörden ein Innenstadt-, sowie Stadionverbot für die Auswärtsfans aus Davos. Für den FCD mit seiner berüchtigten Anhängerschaft war dies ein harter Schlag. Für weitere Unruhen sorgten Meldungen kurz vor dem Anpfiff, dass die Verantwortlichen für die Rasenpflege in Scuol mit Absicht den Rasen hoch stehen liessen, um das gefürchtete Kurzpassspiel der Davoser zu beeinträchtigen.
Am Rasen lag es schliesslich nicht, dass die Spieler des FCD ausgerechnet in diesem wichtigen Spiel völlig neben der Rolle standen. In Scuol bestätigte sich ein Negativtrend der Faustinoni-Elf, der sich schon seit Beginn der Rückrunde abzeichnete. Gegen die „wahrscheinlich schlechteste Mannschaft der Welt“ [völlig subjektive und mit absichtlicher Bosheit übertriebene Meinung des Schreibers] begannen die Herren in Van-der-Laan-Oranje zwar druckvoll und engagiert, schon in den ersten Minuten zeigte sich aber auch das grösste Manko im Spiel des ehemaligen Bündner-Cup-Champions: die Chancenauswertung. Die Offensivabteilung zeigte sich variabel und agil, liess aber eine Vielzahl an Grosschancen aus, was sich, wie so oft in solchen Situationen, bald rächte. Nach einem ärgerlichen Ballverlust im Spielaufbau schalteten die Hausherren blitzschnell um und erzielten das doch eher glückliche 1-0. Die Davoser zeigten sich unbeeindruckt und spielten im gleichen Stil wie vor dem Gegentreffer weiter. Umso bitterer für die Gäste war deshalb das 2-0 kurz vor der Pause, welches durch einen direkt verwandelten Freistoss aus gut 20 Metern zustande kam.
Der FCD versuchte nach Wiederanpfiff mit Vehemenz zu reagieren, was allerdings zur Folge hatte, dass die Davoser oft blindlings anstürmten und dafür bald die Konsequenzen zu tragen hatten. In kurzer Zeit kassierten die Gäste auch noch die Treffer zum 3-0 und 4-0 und schienen darauf den Glauben an den Sieg aufgegeben zu haben. Nachdem der CB Scuol mit dem 5-0 die Demütigung perfekt machte, gelang Daniel Jussel kurz vor Schluss immerhin noch der Ehrentreffer. Für Jussel [ʃʉssəl] war es das erste Tor im Dress der 1. Mannschaft des FCD, er hätte sich aber für diesen Treffer nach eigenen Aussagen einen schöneren Zeitpunkt vorgestellt. Nach dieser Blamage steht der FC Davos vor einem Scherbenhaufen und wie noch nie Abstiegsgefährdet. Um das Abstiegsgespenst aus Davos vertreiben zu können, muss im nächsten Spiel ganz dringen eine Reaktion gezeigt werden. Einfacher wird es bestimmt nicht, zumal am kommenden Montag mit dem FC Landquart der souveräne Leader der Liga zu Besuch kommt.